Zur Geschichte der Siegerländer Familie Spies und Spieß

Die Spiese gehören neben den Familien Flender, Haardt, Münker, Schutte und Sprenger zu den führenden Hammerschmiedegeschlechtern, die die Entwicklung der Siegerländer Eisenindustrie entscheidend mitgeprägt haben und bis in unsere Tage eng mit der heimischen Industrie verbunden sind. Über 500 Jahre hinweg lässt sich die Familiengeschichte der Spiese verfolgen; sie nimmt ihren Anfang in Bürbach bei Siegen.

Die ,,Geburtsstunde“ des Hammerschmiedegeschlechtes Spies schlägt am 5. Juli 1518. An diesem Tage nämlich gibt Graf Wilhelm v. Nassau den halben Hammer zu Müsenershütten bei Siegen als Erblehen an Hans Spieß. ,,Wir Wilhelm grave zue Nassau . . . bekennen und thun kunt an diesem briefe vur uns und unser irben, das wir Hannes Spieß Hansen soen von Buerbach vur sich und sin irben zue irblehen geliwen haben und lyhen ime den halben hamer genant die Mysseners hutte gelegen zue Wydenau, darzue ein stuck feldts am Caenerberge, noch ein stucke landts im garten und ein wiesenlep hin an dem garten . . .“ Auch erlässt der Graf einige Schutzbestimmungen, um die Wirtschaftlichkeit des Hammers zu sichern. Dafür sollen Hans und seine Nachkommen einen jährlichen Zins von sechs Gulden zahlen.

Der Lehnsempfänger wird ausdrücklich als ,,Hansen soen von Buerbach“ bezeichnet, und tatsächlich lässt sich der Vater Hans Spieß in Bürbach urkundlich nachweisen. Die ältesten Hinweise auf Bürbacher Einwohner und ihre Besitzverhältnisse geben uns Schatzungs- oder Bedelisten, Steuerlisten also, die seit dem frühen 15. Jh. erhalten sind. Von Mai 1484 an zahlt Hans (Spieß) regelmäßig Mai- und Herbstbede in Höhe von dreieinhalb bis viereinhalb Albus. Auch die übrigen 14 Bürbacher Steuerzahler, mit wenigen Ausnahmen, zahlen Bede in dieser Höhe.

Im Herbst 1500 erscheint Hans erstmals als ,,Hans Spyeß“, dann fortlaufend jeweils im Herbst als Hans Spieß, Spys u. ä., im Mai jedoch als Hans (von) Burbach bzw. Bürbach. Ab 1505 werden die einzelnen Steuerzahler leider nicht mehr namentlich aufgeführt, so dass wir Hans aus den Augen verlieren. Bei der Belehnung seines Sohnes 1518 scheint er noch gelebt zu haben.

,,Hannes Spieß Hansen soen von Buerbach“ hat den halben Müsenershütter Hammer fast dreißig Jahre lang, von 1518 bis kurz vor 1546 betrieben. Er ist um diese Zeit verstorben, denn laut Türkensteuerliste von 1546 wird ,,Hans des Spieß Naloß“ (= Nachlass) versteuert. Es leben noch die Witwe Agnes und die drei Söhne Hans d. Ä. (Nachfolger des Vaters in Müsenershütten), Hans d. J. (später in Dillnhütten) und Johann (später in Schneppenkauten). Mit diesen drei Söhnen beginnt die Verzweigung des Geschlechtes Spies in fast alle Orte des Siegerlandes, aber auch weit über dessen Grenzen hinaus.

Der (1.) Müsenershütter Stamm (von Hans d. Ä., + um 1559/61), in dessen Eigentum große Teile des Hammers 1586 durch Kauf vom Grafen gelangen, gewinnt dort entscheidenden Einfluß. In der 2. Hälfte des 16. Jhs. wird der Name ,,Müsenershütte“ zeitweilig durch ,,Spießhütte“ verdrängt (vgl. Buschhütte, Fickenhütte, Münkershütte usw.). Von hier aus ver-breiten sich die Nachkommen nach der Meinhard, nach Weidenau, Struthütten und Schutzbach bei Betzdorf (durchweg Hammerschmiede, später Fabrikarbeiter). Ein Familienzweig gelangt auf abenteuerliche Weise um 1800 nach Hesselbach/Wittgenstein. Zahlreiche Nachkommen hat der Hammerschmied Johannes Henrich Spies, der 1812 nach Kredenbach heiratet. Wie in den übrigen Stämmen auch, setzt nach 1900 die Verbreitung über ganz Deutschland ein.

Der (2.) Dillnhütter Stamm (von Hans d. J., + nach 1584) ist seit 1627 bis heute, also über 360 Jahre lang, ununterbrochen in Buschhütten ansässig. Dort und in Lohe/Kredenbach waren die Spiese ebenfalls als Hammerschmiede tätig. Außer in diesen Orten wohn(t)en Nachkommen in Hilchenbach, Grund, Siegen, Niederschelden, Klafeld und Geisweid.
Eine große Nachkommenschaft hat Johann Dietrich Spies (1781-1856) aus Kredenbach, der 1807 Anna Gertraud Dohnleben aus Bürbach heiratete. Er war Maurermeister in Bürbach, weshalb sein Haus den Namen ,,Mierersch“ erhielt. Unter seinen Söhnen Anton (1811-1886) und Wilhelm (1826-1885) wurde das elterliche Haus geteilt. Der ältere Sohn Anton erhielt die linke Haushälfte; auf ihn geht der ebenfalls heute noch geläufige Hausname ,,Andons“ zurück. In den nächsten Generationen hatten Andons und Mierersch sehr viele Nachkommen, die den Namen Spies in Bürbach und Umgebung verbreitet haben.

Kehren wir wieder zurück ins 16. Jh. zum (3.) Schneppenkauter Stamm der Gesamtfamilie (ausgehend von Johann, + um 1572/73). Dieser Stamm ist der weitaus umfangreichste. Von Schneppenkauten aus verbreitete er sich zur Sieghütte (Dillnhenrichshütten), nach Siegen und vor allem nach Gosenbach, wo Johann Spies um 1637 in die alteingesessene Familie Latsch einheiratete. Hier waren die Spiese viele Jahrzehnte lang Pächter des dem Stift Keppel gehörenden Hofgutes. Johanns Sohn Hans Wolfgang (1638-1727) hatte 15 Kinder, darunter 7 verheiratete Söhne mit Nachkommen. Diese wohnten in Niederndorf (meist Bergleute), Siegen (Bäcker), Fickenhütten (Hammerschmiede, Handwerker in Siegen, Mühlenbesitzer in Unterwilden), Sieghütte (Hammerschmiede), Gosenbach (Gewerken und Eisenhändler, Berg- und Landleute in Achenbach, Oberschelden und Eiserfeld), Eiserfeld (Bergleute) und Oberschelden (Berg-und Landleute, darunter der bekannte Pietist Johannes Spies; Fabrikarbeiter in Weidenau und Klafeld).

Aus diesem Milieu der Bergleute und Hammerschmiede, das die Familiengeschichte der Spiese so nachhaltig bestimmte, brachen die Söhne des Niederndorfer Steigers Hans Henrich Spies (1663-1730) aus. Der ältere Sohn Johann Henrich wurde Fürstlich-Nassauischer Rentmeister und Kammerrat in Dillenburg, sein Neffe Johann Friedrich Kanzlist des kirchlichen Oberkonsistoriums ebendort.

Ihre Nachkommen wandten sich akademischen Berufen zu und waren über viele Generationen hinweg Regierungsbeamte und Pfarrer. Es gibt nur wenige Orte im nassauischen Land zwischen Dillenburg und Frankfurt, in denen kein Spieß als Pfarrer tätig gewesen ist.

Auch als Kaufleute in New York und Moskau, als Öl-Industrielle im Kaukasus oder Farmer in Chile finden wir die Spiese vertreten.

Bedeutende Persönlichkeiten sind aus ihren Reihen hervorgegangen:

Johann Christoph Spieß (1771-1829), Pfarrer und Kirchenliederdichter in Frankfurt;

Karl Spieß (1873-1921), Pfarrer und Volkskundler in Hatzfeld;

August Spieß (1815-1893), Gymnasiallehrer und Historiker in Dillenburg, Initiator des dortigen Wilhelmsturmes;

Hermine Spies (1857-1893), Konzertsängerin in Wiesbaden und Freundin des Komponisten Johannes Brahms;

Mathilde Ludendorff geb. Spieß (1877-1966), Religionsphilosophin, und ihr Bruder

Fritz Spieß (1881-1959), Admiral und Leiter der südatlantischen Meteor-Expedition,

die Maler Wolfgang Spieß (1893-1931) in Mecklenburg und Walter Spies (1895-1942) auf Bali,

Leo Spies (1899-1965), Komponist in Ostberlin.

Die Reihe ließe sich noch fortsetzen …

Die Stammfolgen der Familie Spies/Spieß wurden veröffentlicht im Deutschen Geschlechterbuch Band 198 (= Siegerländer Geschlechterbuch Band 5), Limburg an der Lahn 1991.

Anregungen und Anfragen zur Geschichte richten Sie bitte an:
Gerhard Moisel, E-Mail: Archivar<at>familienverband-spiess.de

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